Der Nutzen eigenentwickelter Assistenzsysteme im Industriebetrieb

Was war das Anliegen des Betriebs, das er an GITTA gerichtet hat?

Am Anfang stand der Wunsch nach Prozessverbesserungen: Die Instandhaltungsabteilung eines großen Automobilzulieferers war unzufrieden mit der Ersatzteillogistik am Standort. Wichtige Kennzahlen wie die Reparaturzeit einer ausgefallenen Anlage (Mean Time To Repair) sollten durch ausgefeilte Logistikkonzepte verbessert werden: Wie kommt Ersatzteil X am effizientesten zu Anlage Y?

Wie seid ihr vorgegangen?

Um uns ein genaues Bild von der Situation zu machen, fingen wir mit einer Bestandsaufnahme an: Gespräche mit Meistern aus der Instandhaltung ergänzten wir durch eine Vor-Ort-Begehung, bei der wir Instandhaltungsmitarbeiter eine Schicht lang begleiteten (Beobachtungsinterview).

Das Beobachtungsinterview ist die Methode der Wahl, um einen realitätsnahen Eindruck der Ausgangslage zu gewinnen.

Abseits des eigentlichen Auftrags – der Prozessverbesserung – ist uns ein datenbankgestütztes IT-System aufgefallen, das sehr intensiv von den Instandhaltern im Tagesgeschäft genutzt wurde: Das Instandhaltungs-Planungs-System (IPS). Sie beschrieben uns das IPS als „DAS, was der Instandhalter braucht“ berichtet wurde: Eine mächtige Datenbank zur Verwaltung von Instandhaltungsaufträgen, in der neben Ersatzteilen, Lager- und Bestimmungsorten auch Best-Practice-Lösungen für wiederkehrende Reparaturen abgespeichert wurden.

Das Besondere: das IPS ist aus der Feder eines IT-affinen Instandhalters entstanden und wurde von diesem kontinuierlich weiterentwickelt. Hier wurde uns klar, dass wir es mit einem ganz speziellen Fall von Unternehmens-IT zu tun hatten, nämlich einer Bottom-up-Lösung für Probleme, die mit top-down implementierten Standardsoftware gar nicht zu greifen wäre.

Selbst entwickelte Software ist bedarfsgerechter als eine Standardlösung, birgt aber mehr Risiken.

Im Laufe unserer Erkundungen hat sich aber gezeigt, dass einzelne Aspekte der Systemnutzung dysfunktional waren: Die Kultur der Zusammenarbeit rund um das IPS, die Technik selbst (die Gefahr lief, zu veralten) und Randbedingungen wie die WLAN-Ausleuchtung in der Halle, da das System nur bei bestehender Datenbankverbindung vor Ort genutzt werden kann. Gleichzeitig war der Support des Systems nicht mehr gewährleistet, weil das Know-how zur Wartung und Weiterentwicklung der Software nach wie vor in den Händen des ursprünglichen Entwicklers lag. Der Zentral-IT waren diese Aspekte ein Dorn im Auge. Es gab Bestrebungen, das eigenentwickelte IPS durch Standardsoftware abzulösen.

Ziel der Intervention: Das Gespür vermitteln, dass die wichtigsten Ressourcen in der eigenen Hand liegen.

Und was ist dann passiert?

Durch unsere diagnostischen Interventionen wurde deutlich, dass die Instandhaltungsabteilung den Schlüssel für ihre Probleme selbst in der Hand hatte: Die konsequente Nutzung und Weiterentwicklung des IPS. Durch unsere Erkenntnisse konnte die Instandhaltungsabteilung eine Argumentation entwickeln, warum das System konsequenter in die gesamte Prozesskette eingebunden werden muss.

Was war der Nutzen der Arbeit von GITTA?

Es hat sich vor Ort die gemeinsame Ansicht ausgebildet, dass die technische Unterstützung des einzelnen Instandhalters vom Arbeitshandeln her gedacht wird, und nicht in erster Linie der Fantasie von IT-Entwicklern entspringen sollte. Die Organisation konnte ein Gewahrsein dafür entwickeln, was für einen Schatz es da in den Händen hält. Mittels einer Betriebsvereinbarung wurde die Weiterentwicklung des Systems sichergestellt. Das IPS kann nun so vor Ort genutzt werden, dass es einen größtmöglichen Nutzen bringt – als System, das Wissensmanagement, operative Steuerung von Instandhaltungsaufgaben und Lagerverwaltung vereint. Damit bildet das System die Grundlage für die eingangs erwähnten Prozessverbesserungen, indem es alle relevanten Informationen kombiniert.

Sebastian Roth
ist Psychologe mit Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie und Berater für gesundheitsorientierte Organisationsentwicklung. Er ist überzeugt davon, dass die Organisationen, die den Menschen ins Zentrum setzen, die erfolgreichen sind.

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