Gemeinsam Denken

Wie kommt ein Entwicklungsteam zu einer gemeinsamen Arbeitsweise?

Ein interdisziplinäres Team hat den Auftrag, zusammen etwas Neues zu entwickeln. Zunächst hat jedes Teammitglied seine/ihre ganz eigene Vorstellung, welcher fachliche Beitrag von ihm/ihr zum Gesamtergebnis zu leisten ist. Dabei prallen in solchen Projekten schon wegen der unterschiedlichen Fachsprachen, Konzepte und Arbeitsweisen zunächst einmal ganz unterschiedliche Welten aufeinander. Wenn dann jede:r für sich allein am eigenen Beitrag arbeitet, wird erst zum Ende des Projektes klar, dass vieles nicht zusammen passt.

Wolfgang, auf welche Herausforderungen seid ihr gestoßen?

In einem Verbundprojekt mit einem innovativen Entwicklungsvorhaben, an dem wir beteiligt sind, gab es eine Reihe von Anforderungen, die nicht ohne Weiteres vereinbar waren. Aus Erfahrung wussten wir: Es kann ein ganz schön weiter Weg sein, bis jede:r Einzelne von der Vorstellung „Das ist ja völlig klar, was da zu tun ist“, zur Einsicht gelangst: „Na gut, wenn ich das so angehe wie geplant, dann passt das nicht zusammen mit dem, was die anderen Beteiligten im Kopf haben“.

Da haben wir die Partner zu einem „Denkmodell-Workshop“ eingeladen, und zwar genau an der Stelle im Projekt, wo es darum ging, darüber nachzudenken, wie die eigene Anforderung konkret erfüllt werden kann, die Resultate mit den anderen beteiligten Partner:innen zu teilen, die Passung zu prüfen und eine gemeinsame Lösungsvorstellung zu bekommen. Für uns ist das eine Grund-Herangehensweise, eine dialogische Haltung. Die könntest du genauso gut auch für eine persönliche Reise oder einfach für Alles anwenden, wo mehrere Leute zusammen mit einem gemeinsamen Vorhaben und unterschiedlichen Vorstellungen am Schluss einen gemeinsamen Plan entwickeln.

Wenn eine Familie den nächsten Urlaub plant, ist der Denkmodell-Workshop eine gute Methode, weil die Eine will ans Meer und der Andere in die Berge. Der Dritte sagt: das Wichtigste ist, dass die Sonne scheint und gutes Wetter ist. Sie müssen in der Vorstellung sich erst einmal darüber austauschen: Was ist gemeint mit Sonne und was ist gemeint mit Bergen?

Welchen Nutzen hatte das „Gemeinsame Denken“?

Zuerst denkt jeder Projektpartner für sich und hat seine Vorstellungen, wie er sein eigenes Arbeitspaket löst.

Der Denkmodell-Workshop gibt den Einzelnen genügend Sendezeit und Aufmerksamkeit von den anderen Partnern. So kann er oder sie sagen:

  • Also, so stelle ich mir das vor!
  • Das sehe ich als schwierig an.
  • Das habe ich schon erreicht.
  • Darauf habe ich keine Antwort.

Und vor allem, wenn er sagt: „So stelle ich es mir vor“, hören die Anderen zu und sagen: „Na, wenn du das so machst, dann passt das gar nicht zu dem, wie wir bisher gearbeitet haben.“

Nehmen wir das Beispiel der Familie mit dem Urlaub: Nimmt man das Verhältnis von Meer und Bergen als die entscheidende Wahl für den Urlaubsort, dann kann man sich fragen: Wo gibt es eine gute Kombination, wo die Berge nahe genug am Meer sind?

Was war dein eigenes Aha-Erlebnis?

Durch das Teilen der eigenen Ideen sind die Leute näher zueinander gekommen und haben miteinander darüber gesprochen, wie sie zu einer gemeinsamen Lösungsvorstellung kommen.

Ein beteiligter Forschungspartner hat gesagt: „Ich finde, man sollte in Zukunft für alle Entwicklungsprojekte einen solchen Workshop machen. Ich habe so viele Projekte mitgemacht, in denen es erst ganz am Schluss dazu gekommen ist, dass die verschiedenen Ergebnisse mal nebeneinandergelegt worden sind und dann kam die Feststellung: Das passt ja gar nicht zusammen, was ihr da gemacht habt.“

Gibt es Voraussetzungen fürs „Gemeinsame Denken“?

Es funktioniert nur, wenn die Leute sich gut genug kennen und das Vertrauen aufgebaut haben, um Klartext zu reden. Deswegen würde ich es nicht ganz am Anfang machen, weil da einfach die Kenntnis voneinander, die Vertrauens­verhältnisse und die Frage: „Wie schütze ich mich vor einer Blamage?“ wichtig sind. Die zweite Voraussetzung ist, die Karten auf den Tisch zu legen. Im Sinne einer Anforderungs-Tapete: Was liefere ich? Was brauche ich im Gegenzug? Das muss erst mal passiert sein, sonst reden wir aneinander vorbei.

Wolfgang Kötter spricht über die Ähnlichkeiten einer Projektzusammenarbeit mit einer gemeinsam geplanten Urlaubsreise.

Wolfgang Kötter
ist Ingenieur, Psychologe und Gestalt-Organisationsberater. Als Arbeitswissenschaftler baut er mit Leidenschaft Brücken zwischen Theorie und Praxis.

Verwandte Artikel

IKIGAI − der inneren Motivation auf die Spur kommen

Unsere Arbeit ist Teil unseres Lebens. Es bringt Zufriedenheit, wenn sich meine Arbeit in meinen persönlichen Lebenssinn einfügt. Die Richtung passt, eigene Potenziale finden ihre Entfaltung und wir können uns wirksam erleben. Daher lohnt es sich zu fragen: Was stiftet mir Sinn?

Weiterlesen

Sie haben Fragen?
Nehmen Sie Kontakt mit uns auf.

Organisationsberatung und Arbeitsforschung
Prozessbegleitung, Facilitating, Coaching

Jetzt online:

Roadmap
"Gesund agil arbeiten"

Agiles Arbeiten hat das Potenzial, Arbeit gesundheitsförderlich zu gestalten. Doch in der Realität stößt man auf einen Widerspruch zwischen Verheißungen und Wirklichkeit. Wie kann agiles Arbeiten gesundheitsgerecht gestaltet werden?

Im Auftrag der VBG hat das GITTA-Team Handlungshilfen für die betriebliche Praxis entwickelt. Das Ergebnis sehen Sie hier: