Wertschätzende Kommunikation: In Verbindung bleiben, auch wenn es schwierig wird

Was ist ein typisches Problem bei Spannungen oder Meinungsverschiedenheiten?

Typisch ist, dass wir bei Meinungsverschiedenheiten im System „Richtig oder Falsch“ unterwegs sind. Wenn wir das sind, ist es unsere Hauptbeschäftigung, auf der Suche nach dem oder der Schuldigen zu sein. Da suche ich dann bei der anderen Person, bei der anderen Gruppe oder bei mir. Dies führt zu verurteilenden Gedanken, die wiederum ihre Bestätigung suchen, weil sonst würden sie selbst nichtig werden und an Wert verlieren. Und das wollen die ja nicht. Es ist also ratsam, erstmal innezuhalten und zu überprüfen, in welchem System ich gerade unterwegs bin. Dieser Schritt des Innehaltens und des neuen Öffnens ist gerade auch für mich ein spannender Erfahrungsprozess.

Und wenn ich im System „Richtig oder Falsch“ unterwegs bin, was gibt es für Alternativen?

Weg vom Urteilen hin zum Verstehen: Da geht es uns nicht mehr darum Recht zu behalten oder das Spiel zu gewinnen, sondern es geht einfach darum, in Verbindung zu kommen. Und diese Verbindung ist die Basis für die Aufweichung von z. B. zwei verhärteten Standpunkten.

Eine innere Haltung dazu kann sein: Hey, meine Wirklichkeit ist okay und auch die Wirklichkeit des Gegenübers ist okay. Damit eröffne ich überhaupt erst den Raum für Dialog.

Das ist alles?

Das ist eine wertvolle Grundhaltung und letztendlich ist es schon eine innere Entscheidung, welche Haltung ich einnehme. Daher finde ich es erst mal nicht trivial, da ein sensibler und möglichst wertfreier Wahrnehmungsprozess dahintersteckt. Auf der Wahrnehmung aufbauend können wir weiter tätig werden mit einer Art von wertschätzender Kommunikation, die Kontakt herstellt und Verständnis möglich macht.

Nach dem Psychologen Marshall Rosenberg gibt es da z.B. vier essenzielle Schritte, die wir als Hilfestellung nutzen können:

Die vier Schritte-Übung- um mit sich und anderen in Kontakt zu kommen
  1. Wir beobachten die Situation neutral
    (Im Falle von großem Ärger z.B. kann man auch in im Nachgang an die Beobachtung erst mal den ärgerlichen Gedanken freien Lauf lassen und diese ausdrücken)
  2. Wir fragen uns wie wir uns fühlen
  3. Wir fragen uns welche Bedürfnisse von uns nicht erfüllt sind
  4. Und wir fragen uns welche Bitten wir formulieren können, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen.

Sich in die andere Person hinein zu versetzen und zu versuchen, den Fragen 2 und 3 näher zu kommen, ergänzt das Ganze.
Das kann z.B. eine schöne Vorbereitung sein für ein schwieriges Gespräch oder auch für eine Frage, auf die ich dann komme und der anderen Person stellen möchte oder einfach selbst mitteilen möchte.
Als ich das erste mal von Marshall Rosenbergs „Sprache des Lebens“ gehört habe und diese in Seminaren erlebt und geübt habe, dachte ich „Wow, das hilft mir sehr, einfach ein wenig bewusster unterwegs zu sein und dem näher zu kommen um das es mir wirklich wirklich geht“.

Was ist eine wichtige Voraussetzung für eine Konfliktlösung?

Wenn man einen Konflikt hat, bei dem man erst einmal ins Stocken gerät und merkt, man hat den Kontakt verloren, dann brauchen beide Parteien die Bereitschaft, innezuhalten und sich gegenseitig zuzuhören: “Zeig mir deine Welt und ich zeig dir meine Welt.“

Das wird meiner Meinung nach in einer Welt, die sich sozial beschleunigt, immer herausfordernder. Wir sind von Zeit getrieben, haben viel zu tun und sind viel im Kopf unterwegs. Kann ich in diesem Moment sagen: Wie geht es mir? Was macht mich gerade zufrieden und was löst gerade Unzufriedenheit aus? Was bewegt mich gerade? Also: Wie sehr sind wir in Kontakt mit uns oder mit der anderen Person?

Wie sehr sind wir in Kontakt mit uns oder mit dem Anderen?

Gibt es Besonderheiten in Organisationen?

Wenn ich in Organisationen und in sozialen Systemen denke, ist es eine ganz große kulturelle Sache, erst mal darüber nachzudenken und zu entscheiden, wie wir miteinander kommunizieren wollen. Abrupte Brüche oder Änderungen („Hey, wir reden jetzt alle wertschätzend miteinander!“) können zu Irritationen führen. Deshalb ist es wichtig überhaupt erst mal Kommunikation zum Thema zu machen und z.B. gemeinsam zu klären: „Wie gehen wir im Team mit Konflikten um?“

Warum macht es eine wertschätzende Kommunikation „leichter?“

Platt gesagt: eine Stunde ärgern ist genauso anstrengend für uns Menschen, wie acht Stunden zur Arbeit zu gehen. Deswegen ist es einfach eine Erleichterung, wenn man das Hinderliche weglässt.

Wir wissen es ja selbst, wenn wir einen Konflikt gelöst haben, dann ist das einfach so ein erfrischendes Gefühl, so als wenn man aus einem stickigen Raum heraustritt und einen tiefen Atemzug mit frischer Luft nimmt.

Mitfühlend miteinander in Kontakt treten, das können wir. Das können wir richtig gut, nur haben wir es teilweise verlernt und üben uns im Alltag nicht darin und das ist schade. Also warum nicht auf die Sonnenseite treten wenn es uns möglich ist?

Kontaktvolle Kommunikation ist für mich der Weg des geringsten Widerstands. Sie bringt Leichtigkeit mit sich, weil man einfach davon loslassen kann, sich in einem Ärger-Karussell ein nächstes Ticket zu kaufen.

Monika Förtschbeck
ist Psychologin und Beraterin für gesundheitsorientierte Organisationsentwicklung. Es ist ihre Herzensangelegenheit Organisationen dabei zu begleiten, ein Ort zu sein, in dem sich die Menschen mit ihren Potenzialen einbringen können.

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