Was kann ich mir unter einem ‚agilen Boxenstopp‘ vorstellen?
Jörg: Der Kern ist eine Selbstbewertung des agilen Teams, wie es gerade mit der Arbeit läuft.
Also ist das eine Art große Retrospektive? Woher kommen die Fragen?
Monika: Von der Logik geht es in Richtung Retrospektive, nur sind die Fragen anders. Wir haben in einer dreijährigen Forschungsarbeit in Kooperation mit der VBG wissenschaftlich fundierte Check-Bausteine entwickelt und validiert, mit denen Teams den ‚Status quo‘ ihrer agilen Arbeit erfassen können.
Drei Themen werden beleuchtet: Selbststeuerung, agile Praktiken und Mindset. Das ist erst einmal die Grundlage, die dem Team die Gelegenheit gibt, zu reflektieren und zu bewerten, wie es gerade bei ihnen läuft. Wir setzen das mit dem Fragetool „Mentimeter“ und einem direkten Live-Feedback um.
Für wen ist der Workshop geeignet?
Jörg: Der Workshop passt für jedes agile Team, das schon eine Weile agil unterwegs ist und bei denen sich schon Einiges eingespielt hat.
Einen Boxenstopp zu machen bedeutet, innezuhalten und zu überprüfen.
Aus Gesundheitsperspektive kann der Boxenstopp dazu genutzt werden, um Belastungspunkte, aber auch Gesundheits-Chancen für sich als agiles Team sichtbar zu machen und zu gestalten.
Wie geht ihr vor?
Jörg: Wir bieten nicht einfach „den“ Workshop an, sondern wir teilen unser mögliches Bild von dem Workshop und klären gemeinsam, was die konkreten betrieblichen Interessen sind und wie man den Workshop anpassen kann, sodass die relevanten betrieblichen Fragen ihren Platz finden und behandelt werden können.
Beispielsweise hatte ein kleines Software-Unternehmen mit ca. 25 Mitarbeitenden den Wunsch, in dem Workshop nicht nur auf das agile Arbeiten im Projekt „Agile Softwareentwicklung“ zu gucken, sondern auch darauf, ob sie als Firma insgesamt mit ihrer Arbeitsweise das agile Grundprinzip von „Lernen aus Erfahrung“ leben. So kamen in diesem Workshop auch die Mitarbeitenden aus dem Office-Management dazu!
Was ist der Nutzen?
Monika: Wir fragen nach den konkreten Ursachen hinter dem individuellen Erleben der Arbeit. Damit werden Unzufriedenheiten greifbarer und es ist natürlich auch für das Team toll, da Erfahrungen einfach mal geteilt werden. Zum Beispiel: „Ich habe zwar irgendwie schon öfter mal gedacht, dass ein bestimmter Ablauf bei mir regelmäßig Fragezeichen auslöst, aber jetzt merke ich, dass ich da nicht allein bin“. Da findet sich das agile Prinzip „inspect & adapt“ wieder: Also Gedanken sichtbar zu machen – dann kann man das Problem dahinter bewerten und Veränderungen steuern.
Der Boxenstopp-Workshop ist eine gute Gelegenheit, mit einem lernorientierten Ansatz Dinge ans Licht zu holen und als Team ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es läuft.
Was hat dich an dem Workshop bewegt?
Jörg: Es kamen überraschenderweise mehr Leute zum Workshop als angemeldet. Einen notwendigen Kreis hatten wir im Vorfeld definiert, damit alle Perspektiven und Rollen vertreten sind. Außerdem wurde die Einladung im Unternehmen virtuell ans schwarze Brett gehängt, sinngemäß mit: „Interessierte willkommen“, was dann dazu geführt hat, dass dann ungefähr die Hälfte noch mal mehr an Leuten teilnahmen, sodass am Ende quasi das halbe Unternehmen in dem Workshop dabei war.
Was war ein Aha-Erlebnis?
Monika: Ein Aha-Erlebnis waren die Bewertungen durch die Teilnehmer:innen im Nachgang des Workshops.
Eine Rückmeldung war zum Beispiel, dass durch das Live-Feedback ein wertvolles Gesamtbild entstanden ist. Man hat einen Einblick bekommen, wie alle Teilnehmer:innen gerade die Situation sehen. Und: Es ist erleichternd, dass Herausforderungen im Team auf mehreren Schultern verteilt sind und angegangen werden können, statt mit den Problemen alleine dazustehen.
Warum ist ein Boxenstopp wichtig?
Jörg: Wenn du gut unterwegs sein willst macht es Sinn anzuhalten, um die Reifen zu wechseln. Es könnte aber auch sein, dass wir beim Boxenstopp einfach nur mal schauen, ob die Reifen noch okay sind und dann weiterfahren.
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